Region

  • Region
  • Schweiz
  • Ausland
  • Wirtschaft
  • Börse
  • Sport
  • Kultur
  • Panorama
  • Leben
  • Auto
  • Digital
  • Blogs
  • Forum

«Plötzlich hatte ich keine Kraft mehr»

Von Christine Mader. Aktualisiert am 10.10.2011

Roland Schenk erlitt ein Burn-out. Er ist überzeugt, dass es den Tiefpunkt gebraucht hat, damit er sein Leben neu aufbauen konnte. Obschon er immer noch an Kraftlosigkeit leidet, gelingt es dem 38-jährigen Eggiwiler inzwischen, den Alltag zu meistern. Er arbeitet wieder und ist auch künstlerisch tätig.

Bei Roland Schenk wurde ein Burn-out diagnostiziert. Heute geht es dem 38-Jährigen aus Eggiwil besser, und er fertigt Holzobjekte an. Seine Kugeln sind nie ganz perfekt.

Bei Roland Schenk wurde ein Burn-out diagnostiziert. Heute geht es dem 38-Jährigen aus Eggiwil besser, und er fertigt Holzobjekte an. Seine Kugeln sind nie ganz perfekt.
Bild: Walter Pfäffli

Eindrücklich spricht Roland Schenk über sein Gefühlsleben. In den letzten Jahren hat der 38-Jährige, der mit seiner Frau Irene und der Tochter Nathalie auf dem Knubel in der Gemeinde Eggiwil wohnt, viele Turbulenzen durchgemacht: «Früher war ich weder für meine Frau noch für meine heute 16-jährige Tochter da. Beispielsweise verreisten die beiden alleine in die Ferien, da ich dazu keine Zeit hatte, meinte ich damals jedenfalls.» Einfach einmal einen Sonntag lang auszuruhen, war etwas, was der Familienvater nicht kannte.

Schon seit Jahren merkte Roland Schenk, der als Aushilfsmetzger tätig war, dass sich während der arbeitsintensiven Zeit im Herbst eine Phase der Erschöpfung bemerkbar machte. 2008 war es dann sehr schlimm. Er spürte, dass die pflanzlichen Heilmittel, die ihm in den Jahren zuvor noch geholfen hatten, nicht mehr ausreichten, und dass er professionelle Hilfe brauchte. «Leider gelang es mir aber lange Zeit nicht, mich meinem Umfeld gegenüber so klar auszudrücken, dass dieses merkte, wie erschöpft ich war. Am 11. Dezember kam der Zusammenbruch. Plötzlich ging gar nichts mehr. Ich hatte keine Kraft mehr.» Als ihn dann sein Hausarzt mit Burn-out-Symptomen in die psychiatrische Klinik Münsingen einwies, war er erleichtert.

Burn-out ist keine Krankheit mit eindeutigen diagnostischen Kriterien, sondern eine körperliche, emotionale und geistige Erschöpfung aufgrund beruflicher Überlastung und wird meist durch Stress ausgelöst, der nicht bewältigt werden kann.

Die Wochen in der Klinik

«Ich war überzeugt, dass ich mich in der Klinik nun zwei Wochen erholen könne, um danach wieder fit im Alltag loszulegen.» Die ersten Tage gelang es Roland Schenk sogar, «nichts zu machen» – etwas, was für ihn eigentlich seit Jahren unvorstellbar war. Dann folgte aber der Einbruch mit eingehender Depression. Eine schwierige Zeit begann. Es kamen bei ihm, wie bei den meisten Depressionspatienten auch, Suizidgedanken auf. Rückblickend erklärt Roland Schenk dies so: «Plötzlich hat man das Gefühl, dass es für die Angehörigen eine Erlösung wäre, wenn man aus dem Leben scheiden würde. Diese Gedanken flössten mir Angst ein.»

Bereits früh erkannte die Psychologin zudem, dass beim Patienten eine posttraumatische Belastungsstörung vorlag. Der Auslöser kam bei den ersten Gesprächen zum Vorschein: Roland und Irene Schenk verloren ihr zweites Kind im Alter von sechs Wochen. «Obwohl ich das Gefühl hatte, diesen Tod verarbeitet zu haben, stimmte dies nicht. Ich begann mich nämlich bereits damals in Arbeit zu stürzen, um mich abzulenken.» Roland Schenk musste nun eine Traumatherapie absolvieren und lernen, auf den Körper zu hören. Auch wurden Vorkehrungen getroffen, damit er sich nach der Rückkehr in den Alltag nicht wieder übermässig in Arbeit stürzte.

Nach einem zehnwöchigen Aufenthalt im Psychiatriezentrum Münsingen konnte er dann Anfang 2009 wieder nach Hause zurückkehren.

Die Arbeit mit dem Holz

Nebst den Arbeiten auf dem Hof, wo es die Schafe und die Alpakas zu versorgen galt, arbeitete der Eggiwiler vorerst noch an drei Halbtagen als Aushilfsmetzger. Dann bot sich ihm die Gelegenheit, in der Alphornmacherei Bachmann in Eggiwil zu arbeiten. «Eigentlich war das Arbeiten mit Holz schon immer mein Herzenswunsch. Nach der landwirtschaftlichen Ausbildung hatte ich einfach als Aushilfsmetzger begonnen, ohne mir später noch viele Gedanken darüber zu machen.»

Auch wenn er heute immer noch an Kraftlosigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten leidet sowie ab und zu depressiv verstimmt ist, gelang es ihm mittlerweile, mit einem nicht alltäglichen Hobby einen kleinen Nebenverdienst aufzubauen: Auf der Drechslerbank entstehen einzigartige Objekte, hauptsächlich Holzkugeln. Nicht perfekte, die rundum gleich sind, sondern solche, bei denen die im Holz vorhandenen Fehler zutage treten. «Ich will nicht einfach gewöhnliche Kugeln herstellen, denn dies bin nicht ich. Ich versuche, jedes Holzstück so zu bearbeiten, dass sein Charakter zur Geltung kommt.» Deshalb ist der Hobby-drechsler ständig auf der Suche nach speziellem Holz. Lächelnd fügt Roland Schenk an: «Da ich nicht normal bin, suche ich das nicht Normale im Holz, um die Schönheit der Natur zu nutzen.» (Berner Zeitung)

Erstellt: 10.10.2011, 09:26 Uhr

0

Kommentar schreiben

Verbleibende Anzahl Zeichen:

No connection to facebook possible. Please try again. There was a problem while transmitting your comment. Please try again.
Noch keine Kommentare

Umfrage

Mögen Sie die Musik von Helene Fischer?